Sie stehen in unserem lateinischen Alphabet am Anfang und Ende. Sie haben in einer häufig verwendeten Redewendung die Bedeutung von „komplett“ oder „vollumfänglich“. Und im Norden der Pfalz stehen sie noch dazu symbolisch für eine große Bandbreite an edlem Rebensaft. Die Rede ist von den Buchstaben „A“ und „Z“. Eine Wein-Reise ins Alsenz- und Zellertal zeigt eindrucksvoll, was eine Distanz von knapp 25 Kilometern Luftlinie ausmachen kann. Dabei spielt auch der Donnersberg, die mit 687 Metern höchste Erhebung der Pfalz, eine entscheidende Rolle. Denn die beiden Täler liegen quasi links und rechts des Berges.
Begonnen hat die heutige Einzigartigkeit auf engem Raum vor rund 300 Millionen Jahren. Damals sorgten Vulkane mit sich Schicht um Schicht emporhebendem Magma dafür, dass ein mächtiges Massiv entstand. Dieses wurde vor rund 30 Millionen Jahren von einem flachen, warmen Meer umgeben. Es zog sich damals vom Süden her durch den Rheingraben – die Alpen existierten noch nicht – bis ins Donnersberger Land.
Hier tummelten sich, wie anhand von Versteinerungen herausgefunden wurde, sogar Seekühe und Haie. Heute erhebt sich der Donnersberg stolze 200 bis 400 Meter über sein Umland. Was vor Urzeiten entstand, macht also die Basis für den modernen Weinbau so besonders.
„Der Donnersberg teilt das Wetter. Wir haben hier durchschnittlich nur rund 400 Liter Regen im Jahr und sind in einem sehr kühlen Tal“, erklärt Winzer Johannes Linxweiler aus dem Alsenztal. Seit 2016 betreibt er zusammen mit seiner Frau Katharina die Hahnmühle in Mannweiler-Cölln. Im Familienbetrieb, dessen erste schriftliche Erwähnung ins 13. Jahrhundert zurückgeht, werden heute von der siebten Generation rund 15 Hektar Rebfläche nach Naturland-Richtlinien ökologisch bewirtschaftet. Bis zur Gebietsreform im Jahr 1969 gehörten die Weinberge zum Anbaugebiet Pfalz. Seit 1971 zählen sie zum Anbaugebiet Nahe, deren Nebenfluss die Alsenz ist.
„Wir haben hier keine Monokulturen“, verweist Katharina Linxweiler darauf, dass neben den zum Teil weit voneinander entfernten Weinbergen Obstwiesen, Felder, Hecken oder Wälder liegen. Hinzu kommt, so Johannes Linxweiler, eine große Bandbreite an unterschiedlichen Böden. Das Spektrum reicht von Sandstein über Tonschiefer bis hin zum Porphyr. „Zusammen mit dem unterschiedlichen Kleinklima jeder Parzelle entstehen so einzigartige Weine“, betont der Winzer. Der Weißweinanteil im Weingut liegt bei über 80 Prozent. Dabei dominiert der Riesling mit gut 50 Prozent, gefolgt von Weißburgunder, Silvaner und Chardonnay. Spätburgunder, Portugieser und Dornfelder sind die roten Sorten im Sortiment. Zudem setzen die Linxweilers mit dem gemischten Satz von Riesling und Traminer eine mehr als 100-jährige Tradition des Alsenztals fort.
Ein respektvoller Umgang mit Flora und Fauna stand schon für die Eltern von Johannes im Zentrum der Arbeit. Martina und Peter Linxweiler stellten bei der Übernahme des Weinguts 1986 auf ökologischen Weinbau um. Die geschilderten Besonderheiten sorgen nicht nur für Alleinstellungsmerkmale, sondern auch für Mehrarbeit. So gedeihen viele der Reben auf Steillagen, die nur mit Spezialgerät bewirtschaftet werden können. „Bei Laubarbeiten oder der Lese, die wir ausschließlich selektiv von Hand durchführen, müssen wir immer von oben nach unten arbeiten“, erläutert Johannes Linxweiler. Doch auch der große Vorteil der intakten Natur hat eine andere Seite. „Die erhöhte Wild- und Vogelpopulation hat uns dazu gezwungen, den Jagdschein zu machen“, verdeutlich Katharina Linxweiler. Zudem müsse man vor der Ernte sämtliche Anlagen einzäunen und mit Netzen umspannen.
Nach der Lese legt Johannes Linxweiler, der im Keller ganz auf Schönungen und künstliche Zusatzstoffe verzichtet, auf zwei Dinge besonderen Wert: Zum einen sollen die sortentypischen Aromen der Rebsorten und zum anderen die Einzigartigkeiten der Einzellagen „unverfälscht auf die Flasche kommen“. Schließlich wird der Hahnmühle-Rebensaft zu 100 Prozent als Flaschenwein vermarktet. „Etwa 50 Prozent laufen über den Fachhandel, 30 Prozent gehen in den Export und 20 Prozent in den Ab-Hof-Verkauf“, nennt der Winzer Zahlen. Zu Edelstahltanks und Holzfässern, in denen ein Teil der Lagenweine ausgebaut wird, kommt mit dem Jahrgang 2025 erstmals ein Keramik-Ei hinzu. Johannes Linxweiler will schauen, wie sich eine bessere Zirkulation und höhere Mikrooxidation in dem Gefäß auf seine Weine auswirkt. Diese bekommen immer die Zeit, die sie zur Reife benötigen.
Der Faktor Zeit ist auch für Michael Georg Acker ein entscheidender Faktor beim Ausbau von Weinen – und dies an unterschiedlichen Stellen im Prozess. Dazu in der Folge mehr. Ackers Handschrift als Önologe prägt den Stil der Weine im Weingut Bremer in Niefernheim. Damit sind wir im Zellertal – also auf der anderen Seite des Donnersbergs – angekommen. „Man muss sich ein Zeitpotenzial erarbeiten, in dem man Wein Zeit beim Ausbau und bei der Reife gibt“, beschreibt Michael Georg Acker seine Philosophie vom Weinmachen. Das Motto „Immer schneller, höher, weiter“, da ist er sich sicher, sei gegen die Natur des Menschen. Hinzu komme die Herkunft der Trauben, deren Aromen und Geschmack in den Weinen einzufangen sei. Acker nennt das Zellertal, in dem sich Ton, Mergel und vor allem Kalk finden, auf Grund sehr ähnlicher Klima- und Bodenbedingungen gerne „Klein-Burgund“.
Ein „Blick“ zurück in die Urzeit erklärt, worauf dies beruht. Das heutige Zellertal, das zu den Ausläufern des Mainzer Beckens zählt, war in der Tertiärzeit Teil einer Meeresbucht. Die Sedimentation, also der Prozess der Ablagerung kleinster Teile, zeigt, dass am Westrand des Tales die Meeresküste verlief. „Im Zellertal sind wir im nördlichsten Teil der Pfalz. Es ist das Tor zwischen den Weinanbaugebieten Pfalz und Rheinhessen“, erklärt Inga Klohr (geb. Storck). Man spricht deshalb auch vom Tal als „dem i-Punkt der Deutschen Weinstraße“. Die Winzerin und Absolventin des Dualen Studienganges Weinbau und Önologie am Neustadter Weincampus stammt aus dem Tal und trug die Kronen der Pfälzischen Weinkönigin (2017/2018) und Deutschen Weinprinzessin (2018/2019). „Durch den Donnersberg wird das Tal vor viel Niederschlägen verschont, weil sich die Wolken meist über dem Pfälzerwald abregnen“, erklärt Inga Klohr.
Trotzdem haben die Winzer im Zellertal nicht mit Trockenheit zu kämpfen. Zum einen können Böden mit hohem Tonanteil, die sich gräulich-grünlich präsentieren, gut Wasser speichern. Zum anderen gibt es im Zellertal zahlreiche unterirdische Quellen und Wasserführungen. „Wir haben eine sehr gute Wasserversorgung für die Reben“, betonen Inga Klohr und Michael Georg Acker unisono. Besonders geprägt werden die Weine jedoch durch den Kalkstein, der sich in den zum Teil steilen Lagen mit seinen Südhängen nicht nur mit kleinen Steinchen, sondern in großen Brocken findet. Die kalkhaltigen Böden sind für Michael Georg Acker der Garant für elegante und feingliedrige Weine, die mit einer dezenten Fülle und Balance überzeugen. „Diese besonderen Vorzüge des Zellertals versuche ich Jahr für Jahr schmeckbar zu machen“, betont der Önologe. Visitenkarte des Weinguts Bremer sind Rieslinge und Burgundersorten.
Zurück zum Faktor Zeit, der neben dem Terroir, für Michael Georg Acker mit Blick auf Aroma-geprägte Tropfen aus dem Zellertal so wichtig ist: „Wir sind mit der Reife im Zellertal etwa zehn bis 14 Tage später als die Vorderpfalz. Und je länger die Frucht am Stock ist, desto fruchtbetonter werden die Weine.“ Hinzu kommt noch die Kühle des Tales. „Ein Grad Celsius im Durchschnitt ist eine Welt. Über 18 Grad Celsius wird nämlich Säure abgebaut“, erklärt Michael Georg Acker die knackige Säure und das extreme Reifepotenzial der Weine aus dem Zellertal. Dem Faktor Zeit gibt der Önologe auch an anderen Stellen Raum. Etwa bei der Erzeugung von mineralischen und feingliedrigen Pinot Noirs mit Alterungspotenzial, die ihm besonders am Herzen liegen. „Der Holzeinsatz muss ganz bedacht erfolgen, beim Spätburgunder noch mehr als bei anderen Rebsorten“, betont er und „spielt“ so, je nachdem aus welcher Lage die Trauben kommen, mit verschiedenen Tonellerien. Ganz entscheidend sei, wie das Holz der Fässer getrocknet worden sei. Schnell mit dem Einsatz von Maschinen oder drei Jahre lang im Freien, wo das Holz in Regen und Luft langsam ausreift. „Dabei werden Gerbstoffe ausgewaschen und alles wird harmonischer“, erklärt Acker.
Das Weingut Bremer baut Reben auf rund 12,5 Hektar an, die mit ihren Hanglagen aufwändig zu bewirtschaften sind. Die Familie Bremer hatte sich 2014 in ein über 200 Jahre altes Gebäude verliebt und dieses umgebaut. Neben einem modernen Keller gehören auch eine Weinbar im früheren Getreidespeicher, ein Eventbereich in der ehemaligen Scheune und ein großer Innenhof zum Anwesen. Der Slogan des Weinguts lautet „3 Schwestern und Herr Acker“. Leah Bremer ist studierte Marketing-Fachfrau und so etwas wie die Weinbotschafterin des Weinguts. Ihre Schwester Rebecca konnte als Architektin den umfangreichen Umbau der Gebäude begleiten. Da sie zudem als Köchin und Patissière in Paris arbeitete, war sie bestens auf die Arbeit in der „Genuss-Branche“ vorbereitet. Sie hat sich tatkräftig in das Handwerk des Weinmachens vertieft. Die dritte Schwester im Bunde ist Anna, die als Betriebswirtin für das Back-Office und die Finanzen zuständig ist. Und als Weinmacher konnte die Familie Michael Georg Acker gewinnen. Er ist der erfahrene Önologe, der mit viel Leidenschaft Spitzenweine vom Weinberg bis in die Flasche begleitet. So wird an zwei beispielhaften Weingütern deutlich, warum Alsenztal und Zellertal für eine große Bandbreite an edlem Rebensaft und Terroir-Vielfalt im Schatten des Donnersbergs stehen.
Text: Michael Dostal